Interview Realest8 – Lena Brunner

1. Realest8 Technologies entwickelte eine Plattform für digitale Immobilientransaktionen in Österreich. Vom Kaufvertrag über die Finanzierung bis hin zur Eintragung ins Grundbuch wird alles online abgewickelt. Welche Sorgen und Problemstellungen der Nutzerinnen und Nutzer greifen Sie in diesem Zusammenhang auf und wie erleichtert Ihr Produkt konkret den Arbeitsalltag?
Die Plattform von Realest8 bindet alle an der Wertschöpfungskette einer Immobilientransaktion beteiligten Akteure digital in den Prozess ein und kreiert dadurch einerseits Vorteile für die VerkäuferInnen und KäuferInnen von Immobilien in Österreich, unsere primäre Zielgruppe. Die digitale Transaktion ermöglicht den EndnutzerInnen eine effiziente und rasche Abwicklung, da sie das Tool orts- und zeitunabhängig bedienen können, formale Anforderungen automatisch erfüllt werden und die digitale Abwicklung die vielen manuellen Prozesse obsolet macht. Durch die digitale Anbindung an das Grundbuch und andere Einheiten wird sichergestellt, dass die Daten fehlerfrei übernommen werden und nachträgliche Korrekturen somit überflüssig sind. Das eingebaute Vertragstool bietet durch ein Änderungsprotokoll zudem Transparenz und Übersicht in den meist komplexen Vertragsverhandlungen. Außerdem vereinfacht die Plattform für Personen mit Behinderung dank inklusivem Plattformauftritt den Zugang zum Immobilienmarkt. Abschließend ergeben sich für die EndnutzerInnen Kostentransparenz sowie Ersparnisse, da die Vertragsausarbeitung dank benutzerfreundlicher Oberfläche ohne Rechtsberatung möglich ist und die Digitalisierung die Prozesskosten sowie den Kontroll- und Modifikationsaufwand senkt.
Zur sekundären Zielgruppe zählen AnwältInnen, NotarInnen, Banken und TreuhänderInnen sowie SteuerberaterInnen. Unsere Plattform ermöglicht RechtsexpertInnen den Fokus auf Ihre Kernkompetenz, nämlich die Mandantenberatung. Notariate werden nicht mehr mit Authentifizierungen oder Grundbuchsabfragen belastet, sondern können sich ebenfalls voll auf die Bedürfnisse ihrer KlientInnen konzentrieren. Für Banken und TreuhänderInnen ergibt sich die Möglichkeit, die Transaktionen in Echtzeit zu erledigen und Prozesskosten zu senken. SteuerberaterInnen können dank unseres Steuertools die Berechnung der Immobilienertrag- sowie Grunderwerbsteuer einfach und nach Schema vornehmen.
Letztlich ist es unser Ziel, die Transaktionskosten (ca. 10% des Kaufpreises) erheblich zu vermindern. Konkret möchten wir die Maklerpauschale (ca. 3%) und die pauschalen Kosten der (treuhändischen) Vertragsabwicklung (ca. 2%) senken.

2. Was braucht es um ein so großes Projekt umzusetzen: IT Team, rechtliches Fachwissen, eine Innovationsstrategie?
Die Immobilientransaktion ist ein sehr aufwändiger und langwieriger Prozess, der viele Akteure einbindet. Rechtsexpertise und Erfahrung mit Immobilienverkäufen sind über die ganze Abwicklung hinweg essentiell, um die Probleme in der aktuellen Abwicklung zu erkennen. Die IT Expertise, die wir intern abdecken, hilft uns, die Möglichkeiten und Grenzen in der Digitalisierung des Prozesses auszuloten, die Schnittstellen optimal anzubinden und eine sichere Plattform auf die Beine zu stellen. Gerade in Sachen Schnittstellen ist uns das Bundesrechenzentrum (BRZ) von Anbeginn ein wichtiger Partner, der uns in diesem Punkt unterstützt. Da die Finanzierung ein wichtiger Aspekt in der Immobilienbereich ist, nützen wir auch Expertise in diesem Bereich. In unsere Innovationsstrategie fließen die Inputs ein, die Thomas Seeber im MIT-Lehrgang „Artificial Intelligence: Implications für Business Strategy“ erarbeitet hat. Der diverse Hintergrund unseres Teams mit Erfahrung im Transaktionswesen, in der IT, im rechtlichen Bereich sowie im Banking ermöglicht es uns, die komplexen Bausteine neu zusammenzufügen. Letztendlich sind es aber auch das Interesse an Digitalisierung und Innovation sowie der Wille, etwas nachhaltig verändern zu können, die uns in der Umsetzung unseres Projektes bestärken. Das Team arbeitet nach dem Kredo „tun tun tun“.

3. Welche Erfahrungen haben Sie an der Schnittstelle Recht und Technik gemacht?
An dieser Schnittstelle haben wir eine Vielzahl von Erfahrungen gemacht, die das ganze Spektrum von „wow“ über „schau-ma-mal“ bis „sicher nicht“ abdecken. Letztlich scheitern viele Projekt aber am Umstand, dass sich Techniker und Juristen nicht wirklich verstehen (wollen). Wir haben das Glück, dass wir im Team sehr gut aufeinander eingehen und auch verstehen (wollen), was die jeweils andere Person sagt.

4. Plaudern wir mal aus dem Nähkästchen: Haben Sie Tipps und Tricks auf dem Weg aufgegriffen, welche Sie mit Gleichgesinnten, die vielleicht ihr eigenes Legal Tech Tool kreieren wollen, teilen können?
Beginnen wir mit den persönlichen Kompetenzen. Der wohl wichtigste Aspekt, und das gilt unabhängig von der Branche für jedes neue Projekt, ist die Identifikation mit dem Vorhaben sowie der Glaube daran. Nur wer 100% hinter der Lösung steht, kann glaubwürdig auftreten und den Mehrwert der Innovation deutlich machen. Eine gewisse Risikobereitschaft sollte man selbstverständlich auch mitbringen, da auf dem Weg hin bis zur Implementierung nicht immer alles nach Plan laufen wird, eventuell Umwege nötig sind und das Projekt auch scheitern kann. Wie es eben so schön heißt „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Probleme kommen meistens dann auf, wenn man am wenigsten damit rechnet. Eine Hands-on-Mentalität ist wichtig, um Lösungen zu finden und Probleme schnell hinter sich lassen zu können.
Aus fachlicher Sicht ist es unserer Meinung ein großer Vorteil, wenn das Team Erfahrung im Recht und in der IT mitbringt. Einerseits ist es wichtig, die Probleme im Rechtsbereich erkannt zu haben und andererseits bringt die Erfahrung in der Implementation von IT-Projekten den Vorteil, dass Möglichkeiten optimal dargestellt und Ziele realistisch gesteckt werden. Fundamental ist unseres Erachtens, dass das Team nach einer Lösung sucht und nicht „ein Legal-Tech-Projekt machen möchte“.

5. Promoting the Best — der Name ist Programm, denn wir wollen besonderes Engagement auszeichnen. Was wünschen Sie den Promoting the Best Awards für die Zukunft?
Zuerst möchten wir uns bei den Organisationen, welche die Promoting the Best Awards ins Leben gerufen haben, bedanken und ihnen ein Lob aussprechen. Es ist uns eine große Ehre, mit diesem Award in der Kategorie „Innovation Dienstleister“ ausgezeichnet worden zu sein.
Wir wünschen den Promoting the Best Awards, dass die Teilnahme für Rechtsabteilungen und Rechtsanwaltskanzleien zum Muss wird und so innovative Ideen und Konzepte Denkanstoß für Veränderung in anderen Organisationen bieten. Der Mix aus Wirtschaft und Politik ist sehr wertvoll und bietet gerade für Start-ups wie wir es sind eine wichtige Plattform.