Beste Juristin

Ausgezeichnet: Natalie Harsdorf-Borsch (Bundeswettbewerbsbehörde)

Interview mit Natalie Harsdorf-Borsch, Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), interimistische Generaldirektorin seit 1.12.2021, Stv. Generaldirektorin und Geschäftsstellenleiterin

Warum haben Sie sich bei den Promoting the Best Awards 2022 beworben?
Es gibt drei von der Veranstaltung im Besonderen adressierte Themen – Leistung, Digitalisierung und Frauen – die mich sehr ansprechen, da sie mir alle drei persönlich besondere Anliegen sind und die ich auch in meinem täglichen Wirken konstant versuche positiv zu verbinden. Als Gründerin des Women Competition Law Network Austria (www.wcna.at) lag mir die Frauenförderung im beruflichen Kontext schon immer sehr am Herzen. In meiner Rolle als interimistische Leiterin konnte ich zuletzt mein Führungsteam um drei Referatsleiterinnen ergänzen (Forensik, Budget und Öffentlichkeitsarbeit) und freue mich jetzt damit verstärkte weibliche Kompetenz im BWB Leitungssteam zu haben! Auch als Initiatorin und Jurorin des Kartellrecht Moot Court ist es mir wichtig, jungen Menschen aufzuzeigen, wie sie ihre Chancen und Fähigkeiten am besten nutzen können und dass Leistung auch honoriert wird. Im Bereich der Digitalisierung muss die öffentliche Hand vorangehen, und ich habe daher die Behörde 2021/22 in ein papierloses Arbeiten übergeleitet und alle Prozesse digitalisieren lassen, aber auch das Forensikteam und die Infrastruktur dazu weiter ausgebaut. Auch dogmatisch stellt die Digitalisierung das Kartellrecht vor neue Herausforderungen. Dazu durfte ich zuletzt in dem im August erschienenen Band „Kartellrecht im Wandel“ das Kapitel zu „Gatekeepers und GFAS: Online-Plattformen im Fokus der Regulierung“ beitragen. In der Fusion Meta/Giphy konnte die BWB 2022 als einzige europäische Wettbewerbsbehörde erfolgreich Auflagen in diesem Markt rechtskräftig erreichen, sodass auch andere Unternehmen weiter Zugang zu dieser wichtigen Technologie haben. Als erste Frau in einer Führungsrolle in der BWB überhaupt kann ich seit 2014 in verschiedenen Funktionen eine Vorbildfunktion für Frauen im Bereich Wirtschaftsrecht und Wettbewerbsrechtsvollzug einnehmen. Mit Awards wie dem Promoting the Best kann diese Vorbildfunktion noch weiter streuen und ich würde mich freuen damit viele Frauen zu motivieren in diesem Bereich ihren Weg zu gehen!

Was ist Ihr Best Practise?
In meiner Arbeit als derzeit oberste Wettbewerbshüterin in Österreich, versuche ich stets zwei Ebenen im Auge zu behalten: Einerseits ist es der Vollzug des Kartell- und Wettbewerbsrechts, der die Stütze unseres juristischen Handelns ist, andererseits geht es aber auch darum die Spielregeln dieser Rechtsmaterien publik zu machen und damit präventiv zu wirken – in meiner Arbeit geht es sowohl nicht ohne das eine als auch nicht ohne das andere. Der Dienst an der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft in Sachen Wettbewerb baut im Besonderen auch auf dem Interesse und der Mitarbeit der Österreicher:innen und der Unternehmen auf. Dabei ist es besonders wichtig objektiv zu handeln und sachlich, aber doch verständlich zu kommunizieren. In der Führung ist mein Credo Eigenständigkeit zu fördern, aber auch bei Entscheidungen auf meiner Ebene klare Linien zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen. Fachliche Kompetenz aus verschiedenen Bereichen in den Teams ist dabei ein ganz wichtiges Element für einen hohen Output. So konnte ich zuletzt einen Teamleiter aus dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung abwerben, erst jüngst wurde unser Forensikteam durch einen Experten aus einem Unternehmen verstärkt und im September fangen 3 Mitarbeiterinnen mit sehr unterschiedlichen beruflichen Profilen an.

Was sind zwei Do’s und Don’ts für Ihren Arbeitsbereich?
Do’s:

1. Stets Objektivität wahren, auch in der täglichen Arbeit, sowie immer verschiedene Gesichtspunkte und ihre jeweiligen Folgen abwägen: Besonders in der BWB geht es darum, das große „Bild“, d.h. die zentrale Bedeutung unserer Arbeit für sämtliche Wirtschaftsteilnehmer, von der Konsumentin bis hin zum High Tech Start Up bzw. der Industrie und den KmUs, im Blick zu behalten.
2. In der Mitarbeiterführung ist eine Behörde nicht sehr viel anders gelagert als ein Unternehmen. Es steht und fällt mit der Teamarbeit: Ein besonders wichtiges „Do“ ist es mir, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Mitarbeiter:innen mit voller Energie einbringen und Ideen entwickeln können. Dazu gehören auch eine offene Gesprächs- und Fehlerkultur. Letzteres ist im öffentlichen Dienst leider nicht immer überall üblich.
Don’ts:
1. Aufhören zu lernen: Als Juristin/Jurist kann es schnell vorkommen, dass man – im sprichwörtlichen Sinne – den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen kann. Oftmals geht es daher darum, sich die Bereitschaft, neue Ideen zu entwickeln, beizubehalten und sich auch in teilweise neue Anforderungen, Fälle oder Kooperationspartner einzufinden und Fragen neu durchzudenken.
2. Zu unklar oder gar nicht kommunizieren: Wie in fast jeder Arbeit ist es mit der Fertigstellung bspw. eines Berichts nicht getan, auch danach müssen die Ergebnisse klar kommuniziert werden, das ist ein wichtiger Aspekt der Transparenz als Verwaltungsbehörde. Unklare, unstrukturierte oder nicht vorhandene Kommunikation kann sehr nachteilig wirken. Dies gilt natürlich insbesondere auch für die Kommunikation in der eigenen Organisation bzw. mit dem eigenen Team.

Welchen Tipp würden Sie anderen geben um stets ganz vorne mit dabei zu sein bzw. die Branche weiterzuentwickeln? 
Jedem Juristen und jeder Juristin würde ich mit auf den Weg geben, dass sich harte Arbeit und eine gewisse Standfestigkeit am Ende lohnen. Allerdings gerade den Frauen möchte ich mitgeben auch Chancen zu nutzen, die die Leistung auch nach außen sichtbar machen!

Was ist Ihr berufliches Motto/Zitat?
Ich stehe hinter dem Grundsatz, den sich die Bundeswettbewerbsbehörde zu eigen gemacht hat: “…weil es uns um Fairness geht“. Als interimistische Generaldirektorin verfolge ich das Ziel, den Wettbewerb in Österreich nachhaltig freier, fairer und transparenter zu gestalten. Diese Arbeit liegt mir sehr am Herzen und treibt mich jeden Tag auf ein Neues an!